* 18. April 1962
von Ralph Paland
Essay
Als einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung seiner kompositorischen Poetik hat Flo Menezes die Berührung mit synkretistischen Denk- und Anschauungsweisen benannt, die er in seiner Geburtsstadt São Paulo von klein auf alltäglich erfahren konnte. Tatsächlich ist das Aufnehmen, Verknüpfen und transformierende Weiterdenken unterschiedlicher, vermeintlich oder tatsächlich entgegengesetzter musikalischer oder philosophischer Traditionen und Konzepte ein Hauptcharakterzug seines umfangreichen und vielgestaltigen Schaffens, dessen Spektrum von Solostücken und Kammermusik bis zu groß angelegten Orchesterwerken und von elektroakustischen Kompositionen bis zum Oratorium und Ballett reicht.
Flo Menezes entstammt einer literarisch-künstlerisch orientierten Familie: Sein Vater Florivaldo Menezes (Jg. 1931) stand als Dichter visueller Poesie in engem Kontakt mit Literaten wie dem Brüderpaar Augusto und Haroldo de Campos oder Décio Pignatari, die in der Künstlergruppe »Noigandres« während der 1950er-Jahre – unabhängig von entsprechenden europäischen Bestrebungen – in São Paulo die konkrete Poesie entwickelten; seine italienischstämmige Mutter spielte von Jugend an Geige. Im bildungsbürgerlichen Umfeld der brasilianischen Mittelschicht kam Flo ebenso wie sein früh verstorbener älterer Bruder Philadelpho Menezes (1960–2000), der später als Dichter visueller und medialer Poesie hervortreten sollte, nicht nur mit dem Werkkanon europäischer Musik, Kunst, Literatur und Philosophie, sondern auch mit avantgardistischen Strömungen in Berührung: ...